Der frühe Gamer fängt das Spiel, oder: Meine Erfahrungen mit Early Access

Nachdem ich nun schon knapp 12 Monaten eigene Erfahrungen mit dem Early-Access-Modell gemacht habe, drängt es sich quasi auf, meine Erfahrungen mit diesem durchaus zweischneidigen Schwert niederzuschreiben. Seit dem Steam im März 2013 den Early-Access-Bereich gestartet hat, quellt vor allem diese Plattform ja tatsächlich von Early-Access-Versionen über.

Da es sicherlich auch Leute gibt, die mit dem Begriff nicht viel anfangen können, erstmal ‘ne kurze Erklärung: Spiele im Early Access befinden sich bei Release in einem meist sehr frühen Stadium. Es handelt sich also ganz klar um Alpha-Versionen. Während die Entwickler früher ihre Alphas intern testeten, gehen heute einige den Weg, die frühe Version bereits als Early-Access-Version zum Kauf anzubieten.

Für den Spieler ist natürlich ein klarer Vorteil, dass er -nicht wie bspw. bei Kickstarter- etwas lediglich vorfinanziert, sondern eben auch tatsächlich schon mal was von dem Geld hat, nämlich die Möglichkeit, dass Spiel zu spielen (und auch als fertige Version natürlich zu behalten). Zudem ist es vom Entwickler in aller Regel auch gewünscht, dass ihm der Spieler Bugs oder auch Vorschläge kommuniziert – wovon allerdings erfahrungsgemäß wohl nur ein Bruchteil der User Gebrauch machen wird. Daneben ist es selbstverständlich eine gute Finanzierungsmöglichkeit und die Crowd fungiert gleichzeitig auch als Tester.

Nachfolgend möchte ich erstmal ein paar Worte zu Early-Access-Titeln verlieren, mit denen ich einige Erfahrungen habe (der geneigte Leser wird sicher eine Vorliebe zu einer Art Spiel bei mir feststellen *hust*):

DayZ Standalone
Die Standalone-Version der Arma-II-Mod DayZ war mein erstes Early-Access-Spiel und bis heute bereue ich den Kauf nicht. Angefixt durch die Erzählungen eines Kumpels legte ich mir das Spiel im März 2014, zusammen mit noch weiteren Bekannten, zu und derzeit stehen 229 Stunden auf der Uhr. Im Großteil allerdings in den ersten 4 Monaten nach Kauf erspielt. Seitdem liegt das ganze bei mir ziemlich brach. Der Reiz ist verflogen, die Neuerungen sind derzeit meist eher Feintuning als große Neuerung. Und zudem ist das Spiel in der Vergangenheit etappenweise immer mal mehr, mal weniger von Bugs und auch Cheatern überzogen gewesen, die den Spielspaß oftmals getrübt haben. Trotzdem war es schön, die Entwicklung eine Zeit lang hautnah miterlebt und manchen Updates schon einigermaßen euphorisch entgegen gefiebert zu haben. Und mit ziemlicher Sicherheit, werde ich dieses Spiel wieder anrühren, vielleicht nicht heute und morgen. Aber irgendwann. Und ich weiß jetzt schon: Ich werde es betreten und sicherlich erstaunt sein, wie sich das Spiel und die Spielwelt Chernarus in meiner Abwesenheit weiterentwickelt haben. Ob positiv oder negativ will ich hier mal bewusst offen lassen.

The Forest
Ich meine, The Forest durch das entsprechende Let’s Play von Gronkh kennengelernt zu haben. Und da mir das Prinzip gut gefiel, besorgt ich es mir. Lange Zeit spiele ich es gar nicht mal so ausgiebig. Und dann, so etwa im März 2015 packte es mich, und meine Spielzeit stieg innerhalb weniger Tage von knapp fünf auf über 30 Stunden. Und das in einem Update im Juni 2015 hinzugekommene neue Gebiet inklusive schneebedeckter Bergwelt hat das Spiel nochmals sehr gut erweitert. Auch der Wechsel auf die neue Engine (Unity 5) ist, nach qualitativen Startschwierigkeiten, mittlerweile gelungen und das Spiel erstrahlt in einer durchaus anspruchsvollen Grafik. Dass man auf der Insel alleine (oder im Koop-Modus halt zu zweit) mit den nicht wohlgesonnenen Ureinwohnern ist, macht den großen Reiz des Spiels auf. Alleine gegen eine Gruppe. Nur das Überleben im Sinn. Anders als in DayZ, in dem die wahren Feinde andere humane Mitspieler sind und nicht die Zombies, die eher Staffage als wirkliche Gefahr sind. Wenn bei The Forest dann irgendwann noch eine Story dazukommt, wird das Spiel sicher nochmals aufgewertet. In jedem Falle ebenfalls eine Empfehlung meinerseits.

Stranded Deep
Eine weiteres Early-Access-Spiel und – Überraschung! – es ist ein Survival-Spiel!
In Stranded Deep stürzt man – wie übrigens auch in The Forest – zu Beginn mit einem Flugzeug ab und findet sich, nur mit Schlauchboot und Paddel ausgestattet, auf dem weiten Ozean, gespickt mit vielen kleinen Inselchen wieder. Ich maße mir hier mit meinen mickrigen 60 Minuten absolut keine gemeingültige Bewertung an, sondern kann nur sagen, dass mich das Spiel bisher nicht gehooked hat. Zu stressig ist mir das endlose herumpaddeln zwischen den Inseln, zu klein ist mir das Inventar, zu umständlich und unübersichtlich ist mir Crafting-System. Ich werde dem Spiel sicher wieder seine Chancen gewähren und vielleicht packt es mich ja doch noch irgendwann. Bis dahin: von meiner Seite aus eher noch keine Empfehlung.

The Long Dark
Man könnte jetzt wirklich ein System (oder wie bereits zuvor erwähnt: eine Vorliebe meinerseits?) erkennen, aber auch bei The Long Dark handelt es sich um Survival-Game. Und, Special-Hint: Im noch nicht enthaltenen Story-Modus ist der Anfang der Geschichte ein Flugzeugabsturz. Okay, soweit so sehr bekannt. In diesem Spiel verschlägt es uns nicht auf eine große Insel mit viel Meer [hallo The Forest] oder ein großes Meer mit vielen Inseln [hallo Stranded Deep], sondern in die eiskalte kanadische Wildnis. Der ärgste Feind ist hier nicht das gefräßige Tierreich oder mystische Ureinwohner, nein, hier ist es die permanente Kälte und die allgegenwärtige Angst vor dem Frosttod, besonders in den immer wiederkehrenden Schneesturm-Phasen. Das Spiel lebt von einer extremen Ruhe, denn viel virtuelles Leben herrscht nicht. Hier und da ein herumstreunende Wolf, der für uns ebenfalls den Tod bedeuten kann, oder ein noch lebendes Reh, das für uns unter Umständen ein gefundenes Fressen sein kann. Ansonsten Einsamkeit im kalten Ödland.
Ebenfalls ein schöner Aspekt an dem Spiel ist die eher comic-mäßige Cellshading-Optik, die dem Spiel einen besonderen Flair verleiht.  Obwohl ich hier erst 7 Stunden auf der Steam-Uhr habe, würde ich das Spiel durchaus empfehlen. Es macht immer wieder Spaß und die Updates bringen ebenfalls immer wieder Bugfixes und Neuerungen, wie beispielsweise neue Sandbox-Gebiete.

Soviel mal zu meinen eigenen Erfahrungen. Wirklich negative waren bisher nicht dabei, auch wenn Stranded Deep für mich persönlich maximal unteres Mittelmaß ist. Aber es gibt auch Schattenseiten. So ist zum Beispiel die Gefahr, dass sich ein Spiel während der Early-Access-Phase bereits selbst überlebt. Diese Gefahr sehe ich momentan beispielsweise bei DayZ sehr hoch. Das Spiel verliert kontinuierlich Spieler und auch Server. Im Games-Bereich des Standard hab ich vor kurzem einen interessanten Artikel gelesen, der sich mit diesem Umstand befasst. In den im Artikel erwähnten Steam-Charts ist ersichtlich, dass im Dezember 2014 noch rund 15.000 Spieler im Durchschnitt das Spiel gespielt haben, im April 2015 zählt man gerade mal noch durchschnittlich rund 9.000 Zombie-Survivalisten. Nicht ganz so krass, aber dennoch deutlich sehen die Zahlen für The Forest aus: waren es im Januar 2015 noch durchschnittlich knapp 1.800 Spieler, so schlugen sich im April 2015 gerade noch die knappe Hälfte davon durch die Inselbüsche. Während dies für die individuelle Spielerfahrung in The Forest allerdings schlicht keine Auswirkungen hat, da ohnenhin Solospiel, geht bei DayZ als MMO hier natürlich ein Kernaspekt peu à peu flöten.

Als Beispiel dafür, dass Early Access aber auch Gefahren birgt, dient vor allem der Skandal um Earth: Year 2066. Das Spiel wurde nach einer gefloppten Kampagne (damals unter dem Namen Project Earth) auf IndieGoGo (im Gegensatz zu bspw. Kickstarter darf der Entwickler hier das gespendete Geld auch bei nicht erfülltem Ziel behalten) unter dem neuen Namen bei Steam Greenlight eingereicht und schaffte es dort auch durch den Prozess. Nicht nur, aber durchaus wegen einer starken Gegenkampagne nahm Steam im Mai 2014 das Spiel aus dem Early-Access-Programm und gab den Kunden die Möglichkeit, ihr Geld zurückerstatten zu lassen. Solche Beispiele sind zugegeben eher selten, aber es gibt sie.

In a nutshell:
Early-Access ist und bleibt ein zwei- oder eigentlich noch mehr-schneidiges Schwert. Es birgt die Gefahr, Geld für ein Spiel auszugeben, dass sich womöglich mitten in der Entwicklung dreht und nicht mehr dem ursprünglichen gewollten Produkt gerecht wird. Andererseits ist es aber auch eine Möglichkeit für Entwickler die finanziellen Gewichte der Entwicklungsphase zu stemmen und bereits sehr früh Input aus der Spiel-Community zu bekommen. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Gefahr, dass sich ein Spiel über die Early-Access-Phase hinweg selbst überlebt und als fertiges Produkt keine Käufer mehr findet oder die Community sich bereits anderen Spielen zugewandt hat.
Für Interessierte an Early-Access-Versionen gibt es nur einen, zugegebenermaßen ziemlich logischen, Ratschlag: Informieren. Durch Let’s Plays und Livestreams, durch das Lesen von Nutzerwertungen und -reviews auf Steam oder durch das Lesen von Artikeln auf Papier oder im Netz.

Vasco Da Gamer
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Eine Antwort auf „Der frühe Gamer fängt das Spiel, oder: Meine Erfahrungen mit Early Access“

  1. Bei DayZ bin ich inzwischen schon ein wenig enttäuscht, dass es trotz des enormen Erfolges so schleppend vorangeht. Anfangs war ich noch klar auf der Seite der Entwickler (und ich habe die Mod geliebt), aber mittlerweile haben sie richtig gut Geld damit gemacht und mir kommt es so vor, als hätte Bohemia davon nur wenig direkt wieder in die Entwicklung gesteckt. Wenn man das Team vergrößert hätte, dann wäre das Spiel inzwischen sicher schon ein gutes Stück weiter.

    Beim Early Access sollte man auch nicht vergessen, dass ein Entwickler auch während dieser Phase bankrott gehen kann und dann ist das Spiel in der Regel tot. Ich bin prinzipiell ein Befürworter von Early Access, aber man muss halt wissen, worauf man sich einlässt.

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